9. November 1938
Idsteiner stachelten dazu auf, jüdische Geschäfte und Einrichtungen anzugreifen
Ein Betrag zur Reichspogromnacht von Jörg Fried
Schon lange beabsichtigten die Nationalsozialisten, Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland durchzuführen. Das Attentat von Herschel Grynszpan, einem polnischen Staatsbürger jüdischen Glaubens, auf einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris am 7. November 1938 diente als Vorwand dafür. In ganz Deutschland wurden Menschen dazu aufgestachelt, Synagogen, jüdische Geschäfte und Einrichtungen anzugreifen.
Auch in Idstein passierte das. Am Abend des 9. November 1938 kamen SA-Angehörige aus Bad Schwalbach nach Idstein. Sie begannen mit Übergriffen auf jüdische Geschäfte und die Synagoge – alsbald unterstützt durch Idsteiner. Sie wollten die Synagoge in der heutigen Felix-Lahnstein-Straße (damals „Hintere Borngasse“) in Brand stecken, was die Feuerwehr aber verhinderte. Durch die Lage der Synagoge in der Idsteiner Altstadt fürchtete die Feuerwehr ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Häuser und somit einen Großbrand in der Altstadt. So wurden die Einrichtungsgegenstände aus der Synagoge auf den Markplatz geschleppt und dort angezündet.
Der Kirchenchronik der evangelischen Kirchengemeinde Idstein ist zu entnehmen, dass auch der Direktor des Kalmenhofes Bewohner der Einrichtung zum Mitmachen dort hin schickte mit dem Hinweis: „Sie sollen auch einmal ihren Spaß haben“: Auch wird von einem Idsteiner berichtet, der an diesem Abend an der Wohnung des jüdischen Lehrers Hees in der Lautzstraße vorbeikam. Auch dort wurde randaliert und geplündert, Möbel flogen aus den Fenstern. Der Augenzeuge berichtete, dass er beobachtete, wie zwei katholische Gemeindeschwestern vorbeikamen, spontan niederknieten und den Rosenkranz beteten – ein Anblick, den er nie vergessen würde.
In den Folgewochen verließen fast alle Idsteiner Juden die Stadt und zogen in Judenhäuser in Frankfurt oder Wiesbaden. Von dort führte für die meisten von Ihnen in den Jahren danach der Weg in den Tod … das jüdische Leben in Idstein hatte aufgehört zu existieren.
Jörg Fried
Beitragsbild: Magdeburg, zerstörtes jüdisches Geschäft © Bundesarchiv_Bild_146